Wenn das Periodentabu tief in der Kultur verwurzelt ist

‚Menstruation around the world’ ist eine Themenreihe von Vulvani, die versucht die Vielfalt von Menstruationserfahrungen in aller Welt aufzuzeigen. Wir porträtieren Personen aus verschiedenen Ländern mit ihren persönlichen Geschichten. Lasst uns gemeinsam das Periodentabu brechen.


Obwohl Almas als neugieriges Kind aufwuchs und schon früh mit Einwegbinden experimentierte, erklärte ihr niemand den eigentlichen Verwendungszweck – auch nicht nach mehrmaliger Nachfrage. Almas kommt aus Indien und ist in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der das Periodentabu noch tief sitzt. Über Menstruation zu sprechen, ist immer noch mit Scham behaftet. Im Interview erzählt sie von ihrer Geschichte und wie sie gelernt hat, mit über hundert menstruierenden Menschen über die Periode zu sprechen. Vielen Dank, Almas, dass du dich daran gewöhnt hast, offen über die Periode zu sprechen und das Periodentabu durch Aufklärung aktiv brichst.

Persönliche Eckdaten

Name: Almas Zareen
Alter: 21
Geschlecht: Frau / weiblich
Geburtsland: Indien
Wohnort: Lucknow, Indien
Studium + Job: Bachelorabschluss in Soziale Arbeit
Alter bei der ersten Periode: 13
Lieblings-Menstruationsprodukt: Ich habe schon immer Einwegbinden benutzt. Ich habe bisher noch keine anderen Produkte ausprobiert.
Kosten pro Menstruation: 150 Rupees / ca. 1,70€ (Stand: 31.08.2020)
Verhütungsmethode: Kondom

1. Wie wird Menstruation in deiner Familie, Kultur oder auch Land gesehen? Wie steht es um das Periodentabu?

Seit jeher ist Menstruation ein Tabu in Indien. Menstruierende Menschen dürfen nicht an dem Ort sein, wo wir unsere Religion praktizieren. Wir dürfen nicht mit unseren Familien zusammensitzen, wenn wir unsere Periode haben, was uns diskriminiert. Es ist traurig, dass Menschen denken, dass die Menstruation nur eine Frauenangelegenheit ist. Die Gesellschaft ist trans Menschen gegenüber ignorant. Nur wenige wissen, dass auch trans Männer bluten. Unsere Gesellschaft ist der Meinung, dass über diese Themen nicht in der Öffentlichkeit gesprochen werden sollte, weil es gegen die indische Kultur verstößt. Was die Kultur meiner eigenen Familie betrifft, so durften wir nie vor unserem Vater darüber sprechen.

Photo Credits: Almas

2. Wie und von wem wurdest du über Menstruation aufgeklärt?

Meine ältere Schwester hat mir von Menstruation erzählt. Das Lustige daran ist, dass sie mir nicht gesagt hat, was es wirklich ist. Ich wusste nur, dass ich die Binden auf eine bestimmte Art und Weise benutzen muss, wenn ich anfange zu bluten. Und dass ich im Notfall immer eine bei mir tragen sollte.

3. Erzähl ein bisschen von deiner ersten Periode.

Ich saß mit meinen Schwestern zusammen, als eine von ihnen bemerkte, dass sich meine Kleidung verfärbt hatte. Beide haben gesagt, dass ich jetzt erwachsen bin und haben mir eine Binde gegeben. Ich sollte sie auf die Unterwäsche kleben, damit sie das ganze Blut aufsaugen kann. Weder war ich darauf vorbereitet, noch kam ich überhaupt auf die Idee, etwas in Frage zu stellen.

4. Wie stehst du zu deiner eigenen Menstruation und dem Periodentabu? 

Zu Beginn, während meiner Teenagerzeit, war die Menstruation ein Tabu. Ich habe nie offen darüber gesprochen – nicht mit meinen Schwestern, nicht mit meinen Freundinnen. Es gab Codewörter wie „Ich bin down“ oder „Happy Birthday“. Und ich hatte nie das Bedürfnis, darüber zu sprechen. Aber im Jahr 2019 habe ich ein Praktikum bei einer der führenden NGOs in Indien, GOONJ, gemacht. Dadurch wurde mein Leben auf den Kopf gestellt. Ich habe erfahren, was mit dem schwächeren Teil der Gesellschaft geschieht. Wie wichtig es für uns ist, über Menstruation zu sprechen und das Schweigen sowie Periodentabu zu brechen. Dort habe ich gelernt, dass Menstruation alle Menschen betrifft und nicht nur die Sache einer Frau* ist. Und dieses Mantra prädige ich seitdem.

Photo Credits: Almas

5. Welche Menstruationsprodukte hast du schon ausprobiert?

Ich habe mich nie getraut von Einwegbinden auf ein anderes Produkt umzusteigen. Deshalb habe ich immer Binden verwendet. Vielleicht ändere ich das aber nach COVID-19.

6. Was machst du am liebsten, wenn du deine Tage hast?

Wenn ich meine Periode habe, schaue ich gerne Filme. Und meine Energie und Produktivität ist immer hoch, außer am ersten Tag meiner Periode. Ich habe große Stimmungsschwankungen. Und es gibt Momente, in denen ich auch grundlos weine. Ich erachte das aber als gut, weil es auf seine eigene Weise befreiend ist. Während meiner Menstruation trage ich manchmal nicht gerne Jeans.

7. Wie fühlst du dich während deiner Periode?

Ich würde nicht herumlaufen und behaupten, dass die Menstruation ein Segen ist, weil sie wirklich schmerzhaft ist. Aber JA, sie ist normal.
Generell trinke ich während der Menstruation mehr Wasser.

8. Mit wem sprichst du über Menstruation?

Ich spreche mit allen über die Menstruation, weil es nichts gibt, weswegen wir uns schämen sollten. Sie ist so normal wie eine Schwangerschaft.

Ich spreche mit allen über die Menstruation, weil es nichts gibt, weswegen wir uns schämen sollten. Sie ist so normal wie eine Schwangerschaft.

Ich war ein wirklich neugieriges Kind. So habe ich im Alter von neun oder zehn Jahren auf Menstruationsbinden gepinkelt. Ich dachte, dass sie von Frauen* benutzt werden, um darauf zu pinkeln. Wenn sie bei der Arbeit unterwegs waren und aufgrund hektischer Arbeitszeiten nicht die Möglichkeit hatten, eine Toilette zu benutzen. Meiner Meinung nach waren Binden also zur Urinkontrolle gedacht. Später im Leben wurde dieser Mythos aufgelöst.

10. Möchtest du noch etwas anderes über das Periodentabu erzählen?

Seit 2019 arbeite ich neben meinem Studium mit Frauen*, die dem marginalisierten Sektor der Gesellschaft angehören. Ich breche das Schweigetabu rund um Menstruation, um die Periode zu normalisieren. Ich habe als Einzelperson und auch als Praktikantin bei NGOs gearbeitet, um immer mehr Menschen mit meiner Nachricht zu erreichen. Bis heute habe ich mit mehr als 500 Frauen* gearbeitet. Wir haben Workshops gemacht, um ihnen die Grundlagen der Perioden näher zu bringen, ihre Mythen zu zerschlagen und das Periodentabu zu brechen.

Photo Credits: Almas

Hast du Lust ein Teil von ‚Menstruation around the world’ zu werden?

Wir hoffen, die  Porträts von menstruierenden Menschen so vielfältig und divers wie möglich präsentieren zu können. Und dafür brauchen wir dich – ganz egal, wie du zu deiner eigenen Menstruation stehst oder woher du kommst! Wenn du Lust hast, Teil dieser Serie zu werden, das Periodentabu zu brechen und deine persönlichen Erfahrungen sowie Gedanken über Menstruation mit uns zu teilen, dann schreibe uns eine Nachricht oder fülle einfach den Fragenbogen aus (auch anonymisiert möglich). Wir freuen uns schon jetzt, deine Geschichte mit der Vulvani-Community zu teilen!


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August 25, 2020
Britta Wiebe ist die Co-Gründerin von Vulvani. Am liebsten recherchiert, schreibt und konzipiert sie den ganzen Tag neue Artikel oder innovative Bildungsformate rund um Menstruation. Wenn sie nicht in der weiten Welt unterwegs ist, genießt sie ihre Zeit mit lieben Menschen im schönen Hamburg. | Facebook | Instagram | LinkedIn | Twitter

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