Ein Leben mit PMDD: Mehr als PMS

PMDD oder PMDS, prämenstruelle Dysphorie, ist eine Menstruationsstörung, bei der hormonell bedingte Stimmmungsschwankungen eine Extremform annehmen können. Im Interview erzählt uns Laura von ihrem Leben mit PMDD, was sich hinter dem Begriff wirklich verbirgt und gibt uns Einblicke in ihren Alltag. Laura Teare-Jones ist dreißig Jahre alt, lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Hunden in Nord-Wales. Im Jahr 2019 wurde bei ihr prämenstruelle dysphorische Störung (PMDD) diagnostiziert. Danke liebe Laura, dass du so offen über PMDD sprichst und einen wichtigen Teil der Aufklärungsarbeit leistest. In ihrem Podcast „My Hormones, My Health“ klärt sie über PMDD auf und teilt persönliche Erfahrungen. 

Kannst Du uns erklären was PMDD ist? 

Die prämenstruelle Dysphorie ist eine Menstruationsstörung. Einer von  20 menstruierenden Menschen ist betroffen. Medizinisch gesehen ist PMDD eine extreme Empfindsamkeit gegenüber hormonellen Veränderungen im Körper – es handelt sich also nicht um PMS und auch nicht um ein hormonelles Ungleichgewicht. Prämenstruell – das bedeutet vor der Periode, dysphorisch – kurz zusammengefasst als das Gegenteil von euphorisch, und bedeutet Zustand der Schwierigkeit und Unordnung. Als ich die eigentliche Definition von Unordnung gegoogelt habe, kam „ein verwirrter oder chaotischer Zustand“, was ich eigentlich perfekt finde! Also PMDD – vor der Periode, ein schwieriger, verwirrter und chaotischer Zustand! Die Symptome beginnen meist um den Eisprung herum und enden mit dem Beginn der Periode (also etwa zwei Wochen lang jeden Monat).

Wie sah deine Geschichte bis zur Diagnose von PMDD aus? 

Bis vor ein paar Jahren habe ich mein Befinden und meine Symptome nie mit meinem Menstruationszyklus in Verbindung gebracht. Ich habe es als depressive Phase gesehen. Aber gerade als ich angefangen habe zu denken, dass es vielleicht an der Zeit ist, mit meinem Arzt zu sprechen, verschwand die Depression wieder – wie es bei einem Leben mit PMDD üblich ist. Aber da ich zu diesem Zeitpunkt nichts davon wusste, hielt ich mich für geheilt. Wenn es dann wieder losging, machte ich mir Vorwürfe, nicht genug für meine psychische Gesundheit getan zu haben. Im Laufe der Jahre war ich immer wieder bei Ärzt*innen und wurde wegen meiner Stimmung und wegen Migräne behandelt, aber es wurde nie ein Zusammenhang zu meinem Menstruationszyklus hergestellt – weder von den Ärzt*innen noch von mir.

Wie sind deine Erfahrungen mit Ärzt*innen? 

Wenn man gute Ärzt*innen für PMDD findet, sind sie Gold wert! Leider ist PMDD in der medizinischen Welt recht unbekannt. Wenn ich den Mut hatte, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, habe ich mich oft nicht ernst genommen gefühlt. Ich erinnere mich, dass ich als Teenager mit Essstörungen zu kämpfen hatte. Essanfälle und Appetitveränderungen sind ein Symptom von PMDD, also hängt das wahrscheinlich alles zusammen. Ich erzählte meinem Hausarzt von meinen ungesunden Essgewohnheiten und sagte ihm, dass ich das Gefühl habe, Hilfe zu brauchen. Das war eine große Sache – ich war etwa 15 Jahre alt, fühlte mich sehr verletzlich und war allein in der Praxis. 

Als ich um Hilfe für meine Essstörung gebeten habe, wurde mir gesagt, dass ich mich gesünder ernähren müsse und ich bekam eine Liste mit gesunden Lebensmitteln. Das war für mich sehr prägend – wenn ich gesund werden wollte, brauchte ich also keine Hilfe, ich musste einfach damit klarkommen. Als bei mir PMDD diagnostiziert wurde, basierte dies wiederum darauf, dass ich das Geschehen „in die Hand nahm“. Ich recherchierte und beobachtete meine Symptome und präsentierte meine Ergebnisse meinem Hausarzt. Er stimmte mir dann zu, dass ich wahrscheinlich PMDD hatte und wieder die Pille nehmen sollte. Es war so eine Erleichterung, eine Diagnose zu bekommen und das Gefühl zu haben, ernst genommen zu werden. Gleichzeitig fühlte ich mich aber auch nicht wirklich ernst genommen, weil ich vor kurzem die Pille abgesetzt hatte, weil sie mir nicht gut tat. Ich fühlte mich gesehen und gehört, aber ich fühlte mich nicht verstanden.

Welche Symptome hast du?

PMDD beeinflusst die Stimmung einer Person. Bei mir gehören dazu Angst, Depression, Anspannung, Gefühle der Verzweiflung sowie Hoffnungslosigkeit und Selbstmordgedanken. Ich erlebe auch körperliche Symptome (die weniger häufig vorkommen und über die weniger gesprochen werden) – das Schlimmste für mich ist dabei Migräne. Ich erlebe auch Müdigkeit und Blähungen, Übelkeit und Hirnnebel, was sich wirklich auf mein Gedächtnis und meine Sprache auswirkt.

Welche Behandlungsmöglichkeiten hast du bereits ausprobiert? Was hilft dir in deinem Leben mit PMDD? 

Ich habe im Laufe der Jahre verschiedene Antibabypillen ausprobiert und obwohl sie nicht speziell für PMDD waren, haben sie rückblickend alle meine Symptome verschlimmert. Als ich die Diagnose erhalten habe, wurden mir SSRIs (Antidepressiva) verschrieben, die ich jeden Tag eingenommen habe. Dadurch konnten zwar meine Symptome gemildert werden, aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass sie auch meine Freude an meinen besseren Tagen drosselten, was sich wirklich unfair anfühlte! Wenn ich nicht unter PMDD leide, bin ich ein so fröhlicher und positiver Mensch. PMDD nimmt mir das. Und obwohl ich das als Krankheit akzeptieren kann, möchte ich nicht, dass mir auch noch meine besseren Tage genommen werden. 

Nachdem ich etwas recherchiert hatte, fand ich heraus, dass SSRIs bei PMDD wirksamer sein können, wenn sie nur in der Lutealphase eingenommen werden und nicht den ganzen Zyklus lang – also vom Eisprung bis zum ersten Tag der Periode. Nachdem ich mit meinem Hausarzt gesprochen hatte, probierte ich das aus und stellte fest, dass es wirklich einen Unterschied macht. Die SSRIs erleichterten mir die härteren Tage, ohne mir die Energie an den besseren Tagen zu rauben. Das war eine große Hilfe für mich.

Leben mit PMDD: Gibt es alltägliche Gewohnheiten, die dir helfen?

Ja! Ich lege sehr viel Wert auf Selbstmitgefühl. Aber sobald man anfängt, sich selbst unter Druck zu setzen, um selbstmitfühlend zu sein, erreicht man das Gegenteil! Meine wichtigste Angewohnheit ist also Geduld – mich einfach danach zu richten, wie ich mich fühle. Ich versuche mich gesund zu ernähren und achte auf Bewegung. Aber auch hier setze ich mich nicht unter Druck. Wenn man mit einem Verstand lebt, der einen jeden Monat in Stücke reißen will, ist das letzte, was man braucht, noch mehr Druck. Ich mache mich also nicht mehr fertig , wenn ich weniger gesund esse, denn das bringt mich tendenziell noch mehr in die Abwärtsspirale. Ich liebe es zu laufen – an meinen schlechteren Tagen, an  besseren Tagen, wann auch immer! Spazierengehen ist Bewegung, es ist frische Luft und ein Tapetenwechsel, wenn die Dinge hart werden.

Photo Credits: Laura

Wie beeinflusst PMDD deinen Alltag? Wie ist das Leben mit PMDD?

Ich weiß nie, wie ich mich fühlen werde. PMDD-Symptome beginnen tendenziell mit dem Eisprung und enden am ersten Tag der Periode. Sie können aber auch noch ein paar Tage nach der Periode auftreten. Bei mir sind sie oft nicht so schlimm, wenn ich meinen Eisprung habe. PMDD löst in mir aus, dass ich viel an mir zweifle – bin ich wirklich über etwas verärgert, das angegangen werden muss, oder ist es PMDD? 

Es gibt Tage, da komme ich nicht aus dem Bett – ich kann nicht „funktionieren“. Wenn ich das Bett verlasse, kann es sein, dass ich auf dem Sofa festsitze – ich nenne es meine Winterschlafzeit. Und das ist in Ordnung, um sich auszuruhen – aber wie passt das dazu, eine dreißigjährige Frau zu sein, die versucht, einfach das zu tun, was andere Leute in meinem Alter machen, wie z.B. einen Vollzeitjob zu haben? Ich habe vor ein paar Jahren gelernt, dass der klassische 9-17-Job von Montag bis Freitag für mich in meinem Leben mit PMDD einfach nicht tragbar ist. Ich gebe bei der Arbeit 100 % und bin stolz auf das, was ich tue, aber so einen ganzen Tag zu arbeiten, ist einfach nicht machbar. Das hat dazu geführt, dass ich wirklich darüber nachdenken musste, wie eine erfolgreiche Karriere für mich aussehen kann.

Wie hat sich dein Leben seit der Diagnose verändert?

Mein Leben hat sich zum Positiven verändert. Ich habe gelernt, geduldig mit mir selbst zu sein, jetzt wo ich weiß, dass ich eine chronische Erkrankung habe. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, mit denen ich so offen und ehrlich reden kann – die Online-PMDD-Community ist fantastisch! Aber es gibt auch eine Wolke, die über meinem Kopf hängt, in der meine Zukunft ungewiss ist – jeder Zyklus, den ich durchmache, ist ein Zyklus näher hin zu der Überlegung, mich operieren zu lassen, was ich eigentlich nicht möchte. Ich werde wirklich darüber nachdenken müssen.

Wie ist es zu deinem Instagram-Account und Podcast gekommen? 

Zu Beginn der Pandemie habe ich beschlossen, einen Instagram-Account zu erstellen, um das Bewusstsein für ein Leben mit PMDD zu schärfen, aufzuklären und Hoffnung zu verbreiten – dass ein Leben mit Gesundheits- oder Hormonproblemen trotzdem ein Leben voller Freude sein kann. Ursprünglich habe ich alles anonym gehalten, weil ich noch nicht bereit war, meine Geschichte mit der Welt zu teilen. Dann aber ist mir klar geworden, dass mehr Bewusstsein und Aufklärung wahrscheinlich damit beginnt, die Gespräche über Perioden, Menstruationsgesundheit, Hormone und psychische Gesundheit zu normalisieren, ohne sich hinter meinem Instagram-Account zu verstecken. Selbstscham führt nur zu weiterer Stigmatisierung. An diesem Punkt wusste ich, dass ich bereit war, meine Geschichte zu teilen. Dass ich stark genug war, so offen verletzlich zu sein, wenn es anderen Menschen helfen kann. Das war der Zeitpunkt, an dem ich den „My Hormones My Health“-Podcast gestartet habe. 

„My Hormones, My Health“ – Ein Podcast über das Leben mit PMDD

Ich wollte eine Plattform schaffen, auf der ich meine Erfahrungen dokumentiere und mit Gästen über ihre Erfahrungen spreche. Es hat als Teil meiner Mission für mehr Bewusstsein angefangen aber sich sehr schnell zu etwas anderem entwickelt. Ich wurde überflutet mit Nachrichten von Personen, die zu mir in den Podcast kommen wollten und mir wurde klar, dass die Menschen wirklich über dieses Thema sprechen möchten! Sie haben eine Stimme und wollen diese nutzen! Der Podcast funktioniert, weil meine Gäste in der Lage sind, über Dinge zu sprechen, über die sie vorher vielleicht noch nie so offen gesprochen haben. Meine Hörer*innen lernen, dass sie nicht allein sind. Ich bin seit sechs Jahren Wellness-Coachin und habe mich vor kurzem auf PMDD spezialisiert. Ich bin überzeugt, dass wir, um Scham und Stigma zu bekämpfen, oft bei uns selbst anfangen müssen. Wir müssen uns mit unserer eigenen Scham auseinandersetzen und lernen darüber zu reden.

Hast Du Tipps, wie das soziale Umfeld beim Leben mit PMDD helfen können?

Hört zu und habt Geduld! PMDD kann nicht geheilt werden. Es wird jeden Monat wiederkommen. Ich weiß, dass das schwer zu verstehen sein kann. Was ihr als Unterstützung definiert und was die Person, die ein Leben mit PMDD führen muss als Unterstützung definiert, können tatsächlich zwei verschiedene Dinge sein. Nehmt euch also die Zeit, mit ihnen zu kommunizieren – das ist wichtiger als ihr denkt.

Ihr findet Laura auch auf Twitter.

Photo Credits: Laura

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April 21, 2021
Britta Wiebe ist die Co-Gründerin von Vulvani. Am liebsten recherchiert, schreibt und konzipiert sie den ganzen Tag neue Artikel oder innovative Bildungsformate rund um Menstruation. Wenn sie nicht in der weiten Welt unterwegs ist, genießt sie ihre Zeit mit lieben Menschen im schönen Hamburg. | Facebook | Instagram | LinkedIn | Twitter

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