Hypothalamische Amenorrhö – Was ist sie und was kann ich tun?

Du machst viel Sport und isst gesund, aber deine Periode bleibt aus? Dann kann es sein, dass du unter einer Hypothalamische Amenorrhö leidest. Was das genau ist, welche Gründe es dafür gibt und was du dagegen tun kannst, erzählt uns Julia in einem Interview. Sie hat erst kürzlich ihr Buch Hypothalamische Amenorrhö: Wenn die Periode trotz gesunden Lebensstils ausbleibt veröffentlicht und weiß ganz genau über HA Bescheid!

Stelle dich unseren Leser:innen bitte kurz vor!

Ich heiße Julia und bin Hormon Coach. Dabei betreue ich Frauen dabei ihren Zyklus zu normalisieren und ihre Hormone – beispielsweise nach Absetzen der Pille – wieder in Balance zu bekommen. Ich coache besonders viele Frauen, die am PCO-Syndrom oder an einer Hypothalamischen Amenorrhö leiden.

Eine Hommage an deinen Körper – so beschreibst du dein Buch Hypothalamische Amenorrhö: Wenn die Periode trotz gesunden Lebensstils ausbleibt. Wie bist du auf die Idee dazu gekommen?

So oft arbeiten wir gegen unseren Körper und gehen über unsere Grenzen hinaus – gerade Frauen, die an einer Hypothalamischen Amenorrhö leiden. So viele Frauen – ich in der Vergangenheit auch – haben irgendwie verinnerlicht, dass wir unseren Körper austricksen müssten und uns dieser „hintergeht“, wenn wir z.B. etwas zunehmen oder die Hormone aus dem Gleichgewicht geraten.

Ich sehe das anders. Unser Körper sendet uns Signale und reagiert eigentlich ziemlich schlau auf alles, was ihm sich bietet. Unser Körper möchte immer alles in Balance und uns am Leben halten. Wir haben jedoch meist den kompletten Zugang zu ihm und unserer Intuition verloren. Wir versuchen oft erst gar nicht in uns zu gehen und uns zu fragen: „Was brauchen ich und mein Körper wirklich in diesem Moment, um langfristig wieder in Balance zu kommen?“ Anstatt dessen gehen wir lieber für den Quick Fix, der meist noch mehr aus der Balance bringt (z.B. weniger essen und mehr intensiven Sport treiben, damit wir auch ja abnehmen). Ich wünsche mir, dass mein Buch dabei hilft dem Körper wieder mehr Wohlwollen entgegenzubringen, indem wir verstehen, dass wir gar nicht so hart zu uns selbst und unserem Körper sein müssen. Warum können wir nicht in den Spiegel schauen und ihn feiern und ehren?

Photo Credits: KOMPLETT MEDIA
Photo Credits: Schultz (2022): Grafik “Stille Post” der Hormone. Hypothalamische Amenorrhö: Wenn die Periode trotz gesunden Lebensstils ausbleibt, S. 17.

Was ist ein Hypothalamische Amenorrhö (kurz HA) und was hat die Gesellschaft mit der Zyklusstörung zu tun?

Bei der Hypothalamischen Amenorrhö bleibt die Periode über mehrere Monate komplett aus. Der Grund ist meist Stress durch ein Ungleichgewicht in der Energiezufuhr (Wie viel esse ich?) und dem Energieverbrauch (Wie viel verbrenne ich z.B. beim Sport?). Dabei beginnt das Problem im Hypothalamus, der hormonellen Schaltzentrale im Gehirn. Dieser reagiert relativ sensibel auf Stress jeglicher Art und fährt bei der HA bestimmte Hormone herunter. So sehen wir bei der Hypothalamischen Amenorrhö häufig geringe Werte der folgenden Hormone:

  • Follikelstimulierendes Hormon (FSH)
  • Luteinisierendes Hormon (LH)
  • Östrogen
  • Progesteron

Oft entsteht dieses hormonelle Ungleichgewicht, weil Frauen beginnen, sehr gesund und oft zu wenig zu essen und gleichzeitig ihren Sport hochzuschrauben. Aber auch eine Low-Carb-Diät, bei der einige Kilos runtergehen, können schon ausreichen, damit die Periode ausbleibt. Das gesellschaftliche Bild, wie eine gesunde und attraktive Frau auszusehen hat, spielt hier oft mit rein. Menstruierende mit HA sind oft sehr perfektionistisch, spüren einen enormen Leistungsdruck und können ihre Gefühle und eigenen Bedürfnisse schlecht ausdrücken, da sie (unbewusste) Angst vor Ablehnung haben oder davor nicht gut genug zu sein.

Möchtest du uns über deine persönliche Erfahrung mit Hypothalamischen Amenorrhö erzählen?

Ich selbst habe mit Anfang 20 eine PCOS-Diagnose erhalten, nachdem meine Periode lange ausblieb. Jedoch war ich keine „typische“ PCOS-Patientin, immer sehr schlank und augenscheinlich gesund. Heute weiß ich, dass das Bild der HA und PCOS häufig ineinander verschwimmen können. Gleichzeitig bekommen viele Frauen mit Hypothalamischen Amenorrhö eine falsche PCOS-Diagnose, was wirklich fatal sein kann. Für mich persönlich war Stress ein enormer Antreiber meiner Zyklusprobleme.

Mein Papa starb in einem Unfall, als ich 18 Jahre alt war. Hier habe ich mich auf einmal mit enormen Emotionen konfrontiert gesehen, mit denen ich nicht umgehen könnte. Ich steckte mitten im Abitur und habe es mir nicht erlaubt auch nur einen Tag in der Schule zu fehlen (ich war eine Einser-Schülerin und das blieb auch nach dem Schicksalsschlag so). Gleichzeitig lebte ich auf einmal allein in einem riesigen Haus, es fiel mir schwer um Hilfe zu bitten und ich dachte immer ich müsse stark sein. Innerlich war ich gebrochen.

Ich begann mit dem Joggen, denn das gab mir ein Freiheitsgefühl. Zeitgleich entwickelte ich eine Essstörung, die mich zwei Jahre lang begleitete. Ich wusste von Anfang an, dass ich etwas tun muss, aber es fiel mir so schwer. Ganz langsam kämpfte ich mich daraus hinaus. Auf diesem Weg habe ich so viel ausprobiert und gelernt. Das Wichtigste für mich: Als ich lernte, meinen Gefühlen Raum zu geben und sie auszudrücken, mehr Entspannung in mein Leben einzuladen, wieder normal und ausreichend aß und vor allem meiner inneren Stimme mehr zu vertrauen als den ganzen Talk im Außen, kam meine Periode wieder. Heute lebe ich in Einklang mit mir und meinem Körper. Mein Körper zeigt mir das, durch einen sehr regelmäßigen Zyklus. Das hätte ich damals nie für möglich gehalten. 

Welche Gründe gibt es für das Ausbleiben der Periode?

Es gibt recht viele Gründe, weshalb die Periode ausbleiben kann. Die häufigsten sind:

  • mentaler und emotionaler Stress (wenn junge Menstruierende z.B. in ein Auslandssemester gehen oder sich von Partner:innen trennen)
  • Hypothalamische Amenorrhö (Stress durch ein Ungleichgewicht im Energiehaushalt)
  • PCO-Syndrom (Erhöhung der männlichen Hormone)
  • Schilddrüsenunterfunktion
  • Nebennierenschwäche (Schwächung des Körpers nach einer Phase mit sehr viel Stress)
Photo Credits: KOMPLETT MEDIA

Wie kommunizieren unsere Hormone, was uns fehlt?

Hormone steuern recht viel unserem Körper, da sie Informationen zu den einzelnen Zellen bringen. So kann Haarausfall ein Zeichen für einen Östrogenmangel und einen langsamen Stoffwechsel sein und tritt besonders häufig bei der Hypothalamischen Amenorrhö auf. Bei einer HA liegt nämlich fast immer ein geringer Östrogenspiegel vor und durch das Ungleichgewicht im Energiehaushalt reguliert sich auch der Stoffwechsel nach unten. Zusätzlich ist Östrogen z.B. auch für unsere Schleimhäute und unsere Libido sehr wichtig. Dadurch sind weitere Symptome der HA trockene Vaginalschleimhaut und weniger Lust auf Sex. Hinzukommen trockene Haut und das Gefühl, das einem ständig kalt ist.

Female Athlete Triad oder RED-Syndrome gibt es viel unter Sportler:innen – hast du Tipps für Athlet:innen, um HA vorzubeugen?

Der wichtigste Punkt für Athlet:innen ist sicherlich, dass dem Körper ausreichend Energie zur Verfügung gestellt wird. Sportler:innen müssen ausreichend essen, damit der Körper leistungsfähig bleibt und sich gut regenerieren kann. Auch sollten alle Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Proteine und Fette) in ausreichenden Mengen konsumiert werden. Ich kann nur empfehlen mit eine:r Ernährungsberater:in zusammenzuarbeiten. Zusätzlich sind Auszeiten enorm sinnvoll und essentiell. Es ist ein Trugschluss, dass wir immer härter und mehr trainieren müssten, um Erfolge zu erzielen. Die Magie passiert jedoch tatsächlich in den Regenerationsphasen und auch unseren menstruellen Zyklus können wir sinnvoll in unser Training integrieren.

Was ist der Unterschied zwischen PCOS und HA?

Während es bei einer Hypothalamischen Amenorrhö oft zu einem Mangel an bestimmten Hormonen kommt, finden wir bestimmte Hormone bei PCOS eher im Überschuss. So haben wir bei HA viel häufiger einen geringen Spiegel an LH und der Quotient aus LH und FSH liegt bei unter zwei oder sogar unter eins. Bei PCOS sieht das Bild oft schon ganz anders aus. Das Hypophysenhormon LH liegt weiter über dem Wert von FSH und der LH/FSH-Quotient liegt häufig über zwei. Die männlichen Hormone unterscheiden sich auch ganz stark. Bei beim PCO-Syndrom ist mindestens ein männliches Hormon (z.B. Testosteron, Androstendion oder DHEA-S) erhöht. Bei der HA liegen die männlichen Hormone in der Regel eher im unteren Normbereich.

Wie kann ich auf natürliche Weise meine Periode zurückerlangen? Was sind deine Tipps gegen Hypothalamische Amenorrhö?

Wichtig ist, dass wir aus der Diät-Mentalität herauskommen. Der weibliche Körper benötigt Energie, damit der Zyklus sich einpendeln kann. Wir dürfen uns erlauben mehr zu essen. Da viele Frauen dazu tendieren, dann erstmal mehr „gesunde“ Lebensmittel zu konsumieren, sei gleich gesagt, dass wir Lebensmittel mit einer größere Energiedichte essen sollten. Salat hat eine geringe Energiedichte. Süßkartoffeln haben schon etwas mehr. Trau dich also mehr Kohlenhydrate und gute Fette zu essen!
Wenn du viel Sport betreibst, kann es ratsam sein, etwas von der Intensität herauszunehmen oder den Umfang zu reduzieren. Manchen tut es auch sehr gut, eine Sportpause einzulegen.

Photo Credits: Xenia Bluhm

Die innere Stimme hat auch viel zu sagen!

Ich wünsche mir, dass wir viel mehr lernen auf unsere innere Stimme zu hören. So oft fühlen wir uns getrieben, weil wir den Worten im Außen mehr Gewicht geben und dabei unsere eigenen Bedürfnisse komplett aus den Augen verlieren oder hintenanstellen. Wenn wir es schaffen diese innere Stimme zu stärken, haben wir automatisch einen ziemlich guten Kompass für unser Leben und unsere (hormonelle) Gesundheit. Trau dich deinen Weg zu gehen – auch, wenn ihn vor dir noch niemand gegangen ist! Alles ist möglich!


Hinweis: In diesem Interview wird oft von „Frauen“ und dem „weiblichen“ Zyklus gesprochen. Doch nicht alle Frauen haben einen menstruellen Zyklus und nicht alle, die einen Uterus haben, identifizieren sich als Frau. Auch Trans-, non-binäre oder geschlechtsneutrale Personen können monatlich bluten und haben somit einen menstruellen Zyklus. Deswegen verwenden wir von Vulvani den Begriff menstruierende Menschen oder menstruierende Personen und sprechen nicht von Frauen oder Mädchen. Wir versuchen außerdem den Begriff „weiblicher“ Zyklus durch „menstrueller“ Zyklus zu ersetzen um eine inklusivere Sicht auf den Zyklus uns seine Phasen zu prägen. Das ist unser Versuch alle Menschen, die Erfahrungen mit dem menstruellen Zyklus, Periode und Uteri machen, sprachlich miteinzubeziehen.


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Juni 24, 2022
Vivi studiert Journalistik und Kommunikationswissenschaft im schönen Hamburg und ist seit Juli Teil des Vulvani-Teams im Bereich Social Media und Content. Ihre Lieblingsaktivitäten sind: mit Freund:innen durch die Stadt spazieren, Serien bingen und leckeres veganes Essen kochen/schmausen (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge). Sie interessiert sich sehr für Menstrual Health und findet, dass es noch soooo viel über den menschlichen Körper zu lernen gibt. Instagram | LinkedIn

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