Ich bin wirklich in meine Periode verliebt

‚Menstruation around the world’ ist eine Themenreihe von Vulvani, die versucht die Vielfalt von Menstruationserfahrungen in aller Welt aufzuzeigen. Wir porträtieren Personen aus verschiedenen Ländern mit ihren persönlichen Geschichten. Lasst uns gemeinsam die wunderbare und so vielfältige Welt der Menstruationserfahrungen erkunden. Vielleicht sind wir ja bald alle ein bisschen mehr in unsere Periode verliebt.


Als Teenie hat Katharina ihre Menstruation sehnsüchtig erwartet und war voller Vorfreude auf die erste Periode. Seitdem hat sie eine Achterbahn der Gefühle im Bezug auf ihre eigene Periode durchgemacht: von Ärger über Gleichgültigkeit bis hin zu Dankbarkeit war schon alles dabei. Heutzutage ist sie bei Zyklusachtsamkeit gelandet und in ihre Periode verliebt. Und sie findet, wir sollten alle viel mehr über die Periode sprechen.
Katharina hat über Monate für ihre Masterarbeit recherchiert, wie Medien über Menstruation und das Periodentabu berichten. Das beeindruckende Endresultat ist der Dokumentarfilm „Menstruationstabu?“. Liebe Katharina, herzlichen Dank für deine so wichtige Periodendoku und dass du dich aktiv gegen das Periodentabu einsetzt. 

Persönliche Eckdaten

Name: Katharina
Alter: 25
Geschlecht: weiblich
Geburtsland: Deutschland
Wohnort: Magdeburg, Deutschland
Studium + Job: Journalistin
Alter bei der ersten Periode: 13
Lieblings-Menstruationsprodukt: Menstruationstasse
Kosten pro Menstruation: 20€ im letzten Jahr für eine Menstruationstasse, die endlich die richtige Größe hat und zu meinem Körper passt
Verhütungsmethode: IUB (Kupfer-Perlen-Kugel)

1. Wie wird Menstruation in deiner Familie, Kultur oder auch Land gesehen? 

Meine Mutter, die esoterische Yogi, die sie ist, war super aufgeregt, als meine Schwester und ich unsere Periode bekommen haben. Sie hat ganz offen mit uns darüber gesprochen.
Mein soziales Umfeld hingegen hatte strenge Grenzen, wenn über die Periode gesprochen wurde. Du warst eines der coolen Kinder, wenn du dein Tage hattest und dich darüber beschwert hast. Denn das bedeutete, dass du theoretisch gesehen alt genug warst, um Sex zu haben (zumindest dachten wir das). Es war ein Zeichen des Erwachsenwerdens. Abgesehen davon wollte niemand darüber sprechen. Man sollte Tampons kaufen („Binden sind ja eklig und für alte Leute“) und sie lautlos benutzen. Man sollte nirgendwo Blut sehen. Das war’s.
Auch wenn es aktuell in 2020 offener wird, ist die Periode immer noch eine „Sache zwischen Frauen“. Menschen sowie auch die Werbung machen sehr deutlich, dass Menstruationsblut etwas ist, das unbedingt versteckt werden muss.

2. Wie und von wem wurdest du über Menstruation aufgeklärt? 

Als ich ein junges Mädchen war, lernte ich in der vierten Klasse über die Periode und Sexualerziehung. Wir benutzten bunte Seidentücher, um eine riesige Gebärmutter auf dem Boden zu bauen, und lernten unseren Zyklus kennen und was passiert, wenn man schwanger wird und was wenn nicht. Die gesamte Unterrichtsstunde legte eine klare Betonung darauf, wie man nicht schwanger wird und dass es beim Sex um die Penetration einer Vagina geht. Themen wie Oral-, Anal- oder Schwulensex wurden nicht besprochen. Es gab auch keine Aufklärung über die Vulva und die weibliche Lust.
Damals dachte ich, ich wüsste alles, und jetzt, wo ich es weiß, braucht man nicht mehr darüber zu reden.

Ich wollte unbedingt meine erste Periode bekommen. Wenn ich jetzt auf diesen Moment zurückblicke, bin ich ziemlich stolz auf meine Menstruationsvorfreude.

3. Erzähl ein bisschen von deiner ersten Periode.

Ich glaube, ich war 13 oder 14… ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht mehr. Ich wollte unbedingt meine erste Periode bekommen. Wenn ich jetzt auf diesen Moment zurückblicke, bin ich ziemlich stolz auf meine Menstruationsvorfreude. Die meisten meiner Freundinnen hatten bereits ihre Periode. Und während der Rest meines Körpers voll in der Pubertät war, hinkte meine Gebärmutter etwas hinterher. Immer, wenn ich das leichteste Gefühl hatte, dass Schleim aus meiner Vagina austrat, rannte ich ins Badezimmer, um zu sehen, ob es endlich Zeit für meine Menarche war. Glaubt mir – das war es nie. Als sie endlich kam, hatte ich keine Ahnung, bis ich auf die Toilette ging. Meine Mutter war sogar noch begeisterter als ich, als ich ihr davon erzählte. Wir gingen an dem Wochenende shoppen, um zu und feiern. Das ist alles, woran ich mich von meiner Menarche erinnere.

4. Wie stehst du zu deiner eigenen Menstruation?

Mein Gefühl gegenüber meiner Periode hat sich von Aufregung über Ärger zu Gleichgültigkeit und schließlich zu einem totalen Zyklusbewusstsein gewandelt. Ich empfinde eine neu gefundene Liebe zu meiner Periode und Dankbarkeit dafür, wozu mein Körper in der Lage ist und wie ich mein persönliches Stresslevel anhand meines Periodenbluts ablesen kann.

Heute bin ich meine Periode verliebt

Ich war früher so nachlässig mit meinem Körper und habe mich sehr bemüht, „normal“ zu sein und so zu tun, als ob mein Menstruationszyklus keinen Einfluss auf meinen Körper hätte. Über einen Zeitraum von sieben Jahren habe ich die Pille genommen, sie abgesetzt, einmal die Pille danach genommen (was meinen Zyklus für sechs Monate durcheinander gebracht hat) und wieder angefangen, die Pille zu nehmen. Ich habe mich schließlich dazu entschieden, die Einnahme künstlicher Hormone zu beenden und die Zeichen lesen zu lernen, die mein Körper mir gibt. Es war ein langer Weg, aber jetzt bewundere mein Fortpflanzungssystem und bin wirklich in meine Periode verliebt.

Mein Gefühl gegenüber meiner Periode hat sich von Aufregung über Ärger zu Gleichgültigkeit und schließlich zu einem totalen Zyklusbewusstsein gewandelt. Ich empfinde eine neu gefundene Liebe zu meiner Periode und Dankbarkeit.

5. Welche Menstruationsprodukte hast du schon ausprobiert? 

Ich begann mit Binden, weil ich Angst vor Tampons hatte. Dafür schämte ich mich sehr. Denn es schien so, als wäre das Tragen von Tampons die einzig coole Methode… Mit 16 Jahren fing ich endlich an, Tampons zu benutzen. Sie machten meine Vagina wahnsinnig trocken und in Kombination mit der Pille wurde es nur noch schlimmer. Aber ich habe diese Tatsache jahrelang einfach ignoriert.

Der lange Weg zur richtigen Menstruationstasse

Als ich 22 Jahre war, benutzte ich zum ersten Mal eine Menstruationstasse… Es war schrecklich, weil ich alles falsch gemacht hatte. Und ich habe es erst fast ein Jahr später wieder versucht. Ich brauchte eine Weile (1,5 Jahre, um genau zu sein), um die richtige Tasse für meinen Körper zu finden, aber seitdem nutze ich die Menstruationstasse gerne. Ich besitze auch zwei wiederverwendbare Bio-Stoffbinden. Sie waren ein Geschenk. Ich trage sie, wenn ich noch keine Lust habe, die Tasse zu benutzen, oder am Ende meiner Periode bin. Zurzeit überlege ich in genügend Binden für eine ganze Periode zu investieren und die Tasse eventuell überhaupt nicht mehr zu benutzen, um es einfach frei Lauf zu lassen.

Photo Credits: Katharina by Paul Lüder

6. Was machst du am liebsten, wenn du deine Tage hast? 

Das hängt davon ab, wie mein Leben in den letzten 2 Monaten verlaufen ist. Mein Zyklus ist sehr gut darin, Stress zu erkennen und mir zu zeigen, ob ich ein paar Tage für mich selbst brauche oder nicht.
Es gibt Zeiten, in denen ich das Bedürfnis verspüre, zu Hause zu bleiben, ein Bad zu nehmen und während der gesamten Dauer meiner Periode einfach nur im Bett zu liegen. Und dann gibt es Zeiten, in denen ich mich am dritten Tag den ganzen Tag aktiv anstrengen kann, joggen gehe und nur alle 8 Stunden meine Tasse leeren muss.

7. Wie fühlst du dich während deiner Periode?

Wenn mein Körper während meiner Periode entscheidet, herunterzufahren, fühle ich mich in den ersten Tagen sehr erschöpft, besonders an den Tagen mit starker Blutung. Ich schwitze und fühle mich sehr aufgebläht. Periodendurchfall ist mein ständiger Weggefährte.
Ich bin ein großer Fan davon, bei Krämpfen eine Wärmflasche zu benutzen und weiche Kleidung zu tragen, um keinen zusätzlichen Druck auf meine Gebärmutter auszuüben. Zum Glück habe ich, obwohl ich eine IUB (Kupfer-Perlen-Kugel) habe, die Blutungen und Krämpfe verstärken kann, keine wahnsinnig starken Krämpfe oder so etwas. Es ist ein Schmerz, den ich ertragen kann. Ich versuche ihn nicht mit Schmerzmitteln zu betäuben. Für mich sind die Menstruationsschmerzen, die ich erlebe, eine gute Art von Schmerzen, weil ich weiß, woher sie kommen und dass mein Körper gerade Gebärmutterschleimhaut und Blut abtransportiert, um sich auf eine neue Eizelle vorzubereiten.

8. Mit wem sprichst du über Menstruation?

Seitdem ich für meine Masterarbeit angefangen habe darüber zu recherchieren, wie Menstruation in den Medien diskutiert wird, spreche ich mit allen über Menstruation. Sexistische oder respektlose Bemerkungen über die Periode oder menstruierende Menschen werden von mir mit grundlegenden Fakten beantwortet. Ich bin so genervt  von Leuten, die die Periode als nutzlos und das Menstruationsblut als ekelhaft bezeichnen, dass ich null Toleranz für Periode-Shaming habe.
Mein Freund ist sich all meiner Höhen und Tiefen während meines Menstruationszyklus sehr bewusst, was es ihm leichter macht, mehr Einfühlungsvermögen zu zeigen und meine Gefühle zu verstehen. Ich liebe es, wie sehr er sich für dieses Thema interessiert. Und ich finde, dass wir alle viel mehr über die Periode sprechen sollten.

9. Hast du eine besonders lustige, wichtige oder peinliche Menstruationsgeschichte?

Als ich meinen Dokumentarfilm über die Stigmatisierung der Periode gedreht habe, was der letzte Teil meiner Masterarbeit über Menstruation und Medien war, interviewte ich eine Sozialarbeiterin, die Kindern Sexualkunde beibringt. Sie erzählte mir, dass viele Mädchen dachten, sie sollten die klebrige Seite der Binde auf den Körper legen, um das Auslaufen des Blutes zu verhindern. Ich weiß nicht warum, aber das schockierte mich so sehr… Diese Mädchen hatten anscheinend so viel Angst davor, dass jemand ihr Periodenblut sieht, dass sie dachten, sie müssten ihre Yoni buchstäblich zukleben. Das hat mich gleichzeitig traurig und wütend gemacht…
Wir leben in einer hochentwickelten Gesellschaft mit so vielen großen Errungenschaften. Aber gleichzeitig haben wir eine Welt geschaffen, in der Kinder so viel Angst vor auslaufendem Menstruationsblut haben, dass sie denken, sie müssten ihre Vulvalippen mit einer Binde zusammenkleben, um nicht zu zeigen, dass sie menstruieren. Das ist doch verrückt!

10. Möchtest du noch etwas anderes über Menstruation (oder dich selbst) erzählen?

Jeder menstruierende Mensch hat eine sehr einzigartige Beziehung zu seiner oder ihrer Yoni. Niemand sollte das Gefühl haben, seine Menstruationsgeschichten mit allen teilen zu müssen. Aber alle sollten die Möglichkeit haben, dies zu tun, ohne dafür bewertet zu werden. Wir leben in einer Gesellschaft, die von Cis-Männern geschaffen wurde, die ein sehr klares Bild davon hatten, wie menstruierende Menschen sich verhalten sollen: Als würde sie nicht menstruieren. Als würde sie keine Schmerzen haben. Als würde ihr Körper nicht alle 28 bis 32 Tage einen vierteiligen Zyklus durchlaufen.
Wir haben vergessen, wofür unser Körper gemacht ist. Und unseren Zyklus auf „Blutung“ oder „keine Blutung“ reduziert, was für viele Menschen „nicht normal“ und „normal“ bedeutet. Aber Blutungen sind nichts Ungewöhnliches und etwas, worüber alle (mit oder ohne Gebärmutter) informiert sein sollten, damit das soziale Stigma, das eindeutig immer noch ein großer Teil unserer Gesellschaft ist, überwunden werden kann.

Niemand sollte das Gefühl haben, seine Menstruationsgeschichten mit allen teilen zu müssen. Aber alle sollten die Möglichkeit haben, dies zu tun, ohne dafür bewertet zu werden.

Photo Credits: Katharina by Paul Lüder

Hast du Lust ein Teil von ‚Menstruation around the world’ zu werden?

Wir hoffen, die  Porträts von menstruierenden Menschen so vielfältig und divers wie möglich präsentieren zu können. Und dafür brauchen wir dich – ganz egal, wie du zu deiner eigenen Menstruation stehst oder woher du kommst! Wenn du Lust hast, Teil dieser Serie zu werden und deine persönlichen Erfahrungen sowie Gedanken über Menstruation mit uns zu teilen, dann schreibe uns eine Nachricht oder fülle einfach den Fragenbogen aus (auch anonymisiert möglich). Wir freuen uns schon jetzt, deine Geschichte mit der Vulvani-Community zu teilen!


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Juni 30, 2020
Britta Wiebe ist die Co-Gründerin von Vulvani. Am liebsten recherchiert, schreibt und konzipiert sie den ganzen Tag neue Artikel oder innovative Bildungsformate rund um Menstruation. Wenn sie nicht in der weiten Welt unterwegs ist, genießt sie ihre Zeit mit lieben Menschen im schönen Hamburg. | Facebook | Instagram | LinkedIn | Twitter

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